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Mieterstrom: Neue Chancen durch die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung §42b ENWG

Mieterstrom: Neue Chancen durch die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung §42b ENWG

Mieterstrom und gemeinschaftliche Gebäudeversorgung sind zentrale Ansätze, um erneuerbare Energien effizient in Mehrfamilienhäusern und Gemeinschaftsgebäuden zu nutzen. Mit den neuen Regelungen des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), die ab 2025 in Kraft treten, entstehen attraktive Bedingungen für Solarteure und Betreiber, die das immense Marktpotenzial in Deutschland ausschöpfen wollen.

Das Potenzial ist beeindruckend: Eine BMWK-Studie aus dem Jahr 2017 identifizierte 370.000 für Mieterstrom geeignete Gebäude mit 3,8 Millionen Wohnungen. Neuere Berechnungen, die regulatorische Fortschritte und technologische Entwicklungen einbeziehen, zeigen jedoch ein noch größeres Bild. Bis zu 14,3 Millionen Mieterhaushalte in 1,9 Millionen Gebäuden könnten von Mieterstrom profitieren, was ein technisches Stromerzeugungspotenzial von 43 TWh jährlich ergibt. Zum Vergleich: Die gesamte Photovoltaik-Stromerzeugung in Deutschland lag 2023 bei 61 TWh (Fraunhofer ISE, 2024).

In diesem Blogpost werfen wir einen genauen Blick auf die bisherigen Regelungen, die durch die EnWG-Novelle geplanten Änderungen und die enormen Chancen, die sich für Solarteure und Betreiber ergeben.

Mieterstrom: Hintergrund und bisherige Regelung

Mieterstrom wird direkt vor Ort erzeugt (z. B. durch eine PV-Anlage) und ohne Nutzung des öffentlichen Netzes an die Mieter geliefert. Dies steigert den Eigenverbrauch, senkt die Netzentgelte und bietet Mietern Zugang zu günstigem Solarstrom. Mieterstrom wird seit 2017 im §42a Energiewirtschaftsgesetz geregelt, unterliegt jedoch strengen Vorgaben:

  • Reststrombelieferung: Stromlieferanten (Vermieter) müssen Reststrom als Energieversorgungsunternehmen (EVU) bereitstellen und dabei strenge Anforderungen wie Preisobergrenzen und umfassende Versorgungspflichten erfüllen.
  • Geringe Rentabilität: Bei Einspeisung ins öffentliche Netz erzielen PV-Anlagen derzeit Einspeisevergütungen von 10,79–12,87 Cent/kWh. Mieterstrom kann zwar höhere Erlöse generieren, ist jedoch aufgrund der aufwendigen Drittbelieferung in Bestandsgebäuden oft nicht umsetzbar. 
  • Technische Anforderungen: Eine verbrauchsbezogene Abgrenzung erfordert moderne Zählermethoden, wie virtuelle Summenzähler und Smart Meter. In älteren Gebäuden sind jedoch Zähler oft dezentral auf den Etagen platziert, was hohe Umbaukosten verursacht.

Aktuelle Hemnisse

  • Niedrige Installationsrate: Im Mai 2024 gab es bundesweit nur knapp 9.000 für Mieterstrom gemeldete Anlagen.
  • Hindernisse für kleine Projekte: Insbesondere bei Gebäuden mit wenigen Mietparteien ist Mieterstrom oft nicht wirtschaftlich, auch wegen der Vertragsfreiheit der Mieter (Kopplungsverbot). Dadurch tragen Vermieter das Risiko geringerer Mitmachquoten und Ertragseinbußen.

Änderungen des Solarpakets I und der ENWG-Novelle

Die Novelle des EnWG bringt mit den Paragraphen § 42b und § 42c neue Modelle für die gemeinschaftliche Nutzung von Solarstrom.

§42b EnWG: Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (GGV)

Die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (GGV) ist ein neues Versorgungsmodell, das mit dem „Solarpaket I“ eingeführt wurde und seit dem 16. Mai 2024 gilt. Ziel ist es, den Strom aus PV-Anlagen innerhalb eines Gebäudes effizient zu nutzen, ohne das öffentliche Stromnetz zu beanspruchen. Die GGV schafft dadurch neue Möglichkeiten für Mehrfamilienhäuser, indem sie den bürokratischen Aufwand reduziert und den Zugang zu lokal erzeugtem Solarstrom erleichtert.

Bei der GGV werden die teilnehmenden Letztverbraucher direkt von der Gebäudestromanlage beliefert. Ein Gebäudestromnutzungsvertrag regelt die Bedingungen, während der Reststrombedarf individuell über Verträge mit Stromanbietern gedeckt wird.

Voraussetzungen für die Teilnahme
Letztverbraucher können nach §42b Abs. 1 EnWG Strom aus einer Gebäudestromanlage nutzen, wenn:

  • Der Strom im selben Gebäude oder einer Nebenanlage erzeugt und genutzt wird, ohne das öffentliche Netz zu durchlaufen.
  • Die Strommengen viertelstündlich gemessen werden (z. B. über intelligente Messsysteme).
  • Ein Gebäudestromnutzungsvertrag mit dem Betreiber der PV-Anlage abgeschlossen wurde.

Unterschiede zum Mieterstrommodell
Im Gegensatz zum Mieterstrommodell (§42a EnWG):

  • Ist keine Übergabemessung erforderlich, und die Messstellen bleiben Teil des öffentlichen Netzes.
  • Besteht kein Anspruch auf einen Mieterstromzuschlag gemäß §21 Abs. 3 EEG.

Verteilung des PV-Stroms
Die Verteilung des erzeugten PV-Stroms erfolgt anhand eines Aufteilungsschlüssels, der entweder statisch oder dynamisch sein kann.

Beim statischen Aufteilungsschlüssel erhalten die die teilnehmenden Kunden jeweils einen festen Prozentanteil der erzeugten Energiemenge, wobei die Summe der Anteile nicht 100% übersteigen darf. Beispielsweise erhalten bei zwei teilnehmende Kunden: Kunde 1 60% des erzeugten PV-Stroms pro Viertelstunde, und Kunde 2 40% des erzeugten PV-Stroms pro Viertelstunde. Die überschüssige Energie wird ins Netz eingespeist, wenn die Erzeugung den Verbrauch der teilnehmenden Nutzer übersteigt. Hier ein Beispiel des Bayernwerks für zwei teilnehmende Kunden (Kunde 3 nimmt nicht teil):

Beim dynamischen Verteilungsschlüssel wird den teilnehmenden Kunden für jede Viertelstunde PV-Strom im Verhältnis ihres individuellen Verbrauchs zum Gesamtverbrauch der teilnehmenden Letztverbraucher gleichmäßig zugeteilt. Hier ein Beispiel des Bayernwerks für drei teilnehmende Kunden:

Vorteile der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung

  • Geringerer bürokratischer Aufwand durch Wegfall der Lieferantenpflichten.
  • Erleichtert die Nutzung von PV-Anlagen in Mehrfamilienhäusern, da keine individuellen Netzanschlüsse für jede Partei erforderlich sind.
  • Reduziert Transaktionskosten für Vermieter und Betreiber.

§42c EnWG: Energy Sharing

Das Energy Sharing nach §42c EnWG ermöglicht es, Strom aus regionalen erneuerbaren Energieanlagen gemeinsam zu nutzen, auch wenn das allgemeine Versorgungsnetz beansprucht wird. Es ergänzt die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (§42b EnWG) und setzt die EU-Richtlinie 2024/1711 um.

Beim Energy Sharing schließen mehrere Letztverbraucher einen Vertrag zur gemeinsamen Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien (z. B. von Wind- oder Solaranlagen). Diese Energie wird über das allgemeine Netz bereitgestellt, wobei technische und organisatorische Lösungen Transparenz schaffen sollen.

Technische Voraussetzungen

  • Viertelstündliche Messung der Strommengen über intelligente Messsysteme (iMSys).
  • Nutzung einer zentralen Plattform, die bis Juli 2025 eingerichtet wird, um Energy-Sharing-Vereinbarungen und Abrechnungen zu organisieren.

Regulatorische Erleichterungen

  • Betreiber der EE-Anlagen sind nicht verpflichtet, eine vollständige Versorgung der Letztverbraucher sicherzustellen (§42c Abs. 5 EnWG).
  • Lieferantenpflichten gemäß §§5, 40 bis 42 EnWG sind in bestimmten Fällen ausgesetzt (§42c Abs. 7 EnWG).

Grenzen der Anlagenleistung

  • Haushaltskunden: Maximale Anlagenleistung von 30 kW.
  • Gebäude mit mehreren Haushaltskunden: Maximale Leistung von 100 kW.

Vorteile für Verbraucher und Betreiber

  • Gemeinschaftliche Nutzung reduziert die Kosten für die Stromerzeugung und -nutzung.
  • Betreiber profitieren von vereinfachten Marktkommunikationsprozessen und Synergien.

Herausforderungen

  • Fehlende finanzielle Anreize: Keine Prämien oder Erleichterungen bei Netzentgelten.
  • Zusätzlicher Verwaltungsaufwand für Netzbetreiber, da Bilanzierung und Marktkommunikation komplexer werden.

Zeitplan und Umsetzung

  • Einrichtung einer zentralen Plattform für Energy Sharing durch die Netzbetreiber bis Juli 2025 (§20b EnWG).
  • Produktive Nutzung ab Juli 2026.

Vergleich der drei Mieterstrom-Modelle

Merkmal§ 42a EnWG: Mieterstrom§ 42b EnWG: Gebäudeversorgung§ 42c EnWG: Energy Sharing
Nutzung des öffentlichen NetzesNeinNeinJa
Vergütung/PrämienMieterstromzuschlag KeineKeine
Verpflichtungen für BetreiberReststrombereitstellung erforderlichKeine EVU-PflichtenKeine EVU-Pflichten
Bürokratie und AufwandHochGeringMittel
Attraktivität für InvestorenMittel (Prämien, aber hohe Hürden)Hoch (vereinfachte Abläufe)Mittel (keine Prämien, aber Flexibilität)
Messung und AbrechnungStandardisierte Übergabemessung erforderlichViertelstündliche Messung per iMSys notwendigViertelstündliche Messung per iMSys notwendig
ZielgruppeMieter in einzelnen MehrfamilienhäusernBewohner eines Gebäudes (z. B. Eigentümergemeinschaften)Regionale Gemeinschaften von Verbrauchern
AnlagengrößeKeine festen GrenzenKeine festen Grenzen30 kW (Haushaltskunden), 100 kW (Gebäude)
ZusatzanforderungenVertragsbindung mit Mietern auf max. 2 JahreAufteilungsschlüssel erforderlichGemeinsame Plattform für Marktkommunikation
Flexibilität der NutzungNur lokal erzeugter StromNur lokal erzeugter StromRegional erzeugter Strom

Zeitplan

  • 16. Mai 2024: Inkrafttreten des „Solarpakets I“ mit den Regelungen zur gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung (§ 42b EnWG) und der Aktualisierung von § 42a EnWG für Mieterstrom.
  • 1. Januar 2025: Inkrafttreten der neuen Regelungen:
    • Einführung der gesetzlichen Grundlage für Energy Sharing (§ 42c EnWG).
    • Verpflichtung zur viertelstündlichen Messung mit intelligenten Messsystemen (iMSys) für Gebäudeversorgung und Energy Sharing.
  • 1. Juli 2025: Netzbetreiber müssen eine zentrale Plattform für Marktkommunikation gemäß § 20b EnWG bereitstellen, um Energy Sharing-Vereinbarungen und Abrechnungen zu erleichtern.
  • 1. Januar 2026: Pflicht zum Einbau fernablesbarer Stromzähler (Heizkostenverordnung), die technische Voraussetzungen für Mieterstrom und Gebäudeversorgung weiter verbessern.
  • 1. Juli 2026: Zentrale Plattform für Marktkommunikation geht produktiv in Betrieb, um eine standardisierte Abwicklung der Prozesse zwischen Mieterstromanbietern, Netzbetreibern und Messstellenbetreibern zu gewährleisten.

Warum sind Mieterstrom und die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung für Solarteure interessant?

Das Marktpotenzial für Mieterstromprojekte ist enorm: Bis zu 14,3 Millionen Wohnungen in 1,9 Millionen Mehrfamilienhäusern könnten von lokal erzeugtem Solarstrom profitieren. Mit den neuen Regelungen, insbesondere § 42b EnWG, werden viele der bisherigen regulatorischen Hürden abgebaut. Vereinfachte Abläufe, der Wegfall der Lieferantenpflichten und die Möglichkeit zur gemeinschaftlichen Nutzung von Gebäudestrom schaffen attraktive Bedingungen für Vermieter, Betreiber und Mieter. Diese Verbesserungen bringen neuen Schwung in den Bereich Mieterstrom und machen ihn für Solarteure zu einer lohnenden Chance, um den Ausbau erneuerbarer Energien in Mehrfamilienhäusern entscheidend voranzutreiben. 


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Quellen

  1. IW Köln: Großes ungenutzes Potential beim Mieterstrom - Kurzbericht (02.07.2024)
  2. RGC-News: Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung mit PV: Wie funktioniert das geplante Modell? (09.10.2023)
  3. recht-energisch: Sharing is caring – § 42c EnWG und die geplante Neuregelung zur gemeinsamen Nutzung von EEG Anlagen (20.09.2024)
  4. NOERR: Solarpaket I - Neuregelung des Mieterstroms (16.05.2024)
  5. NOERR: EnWG-Novelle: Entwurf zum Energy Sharing (04.10.2024)
  6. Bayernwerk Netz: Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (2024)

 

 

 

  1. BMWK: FAQs zum Solarpaket I (August 2024)
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