Mieterstrom und gemeinschaftliche Gebäudeversorgung sind zentrale Ansätze, um erneuerbare Energien effizient in Mehrfamilienhäusern und Gemeinschaftsgebäuden zu nutzen. Mit den neuen Regelungen des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), die ab 2025 in Kraft treten, entstehen attraktive Bedingungen für Solarteure und Betreiber, die das immense Marktpotenzial in Deutschland ausschöpfen wollen.
Das Potenzial ist beeindruckend: Eine BMWK-Studie aus dem Jahr 2017 identifizierte 370.000 für Mieterstrom geeignete Gebäude mit 3,8 Millionen Wohnungen. Neuere Berechnungen, die regulatorische Fortschritte und technologische Entwicklungen einbeziehen, zeigen jedoch ein noch größeres Bild. Bis zu 14,3 Millionen Mieterhaushalte in 1,9 Millionen Gebäuden könnten von Mieterstrom profitieren, was ein technisches Stromerzeugungspotenzial von 43 TWh jährlich ergibt. Zum Vergleich: Die gesamte Photovoltaik-Stromerzeugung in Deutschland lag 2023 bei 61 TWh (Fraunhofer ISE, 2024).
In diesem Blogpost werfen wir einen genauen Blick auf die bisherigen Regelungen, die durch die EnWG-Novelle geplanten Änderungen und die enormen Chancen, die sich für Solarteure und Betreiber ergeben.
Mieterstrom wird direkt vor Ort erzeugt (z. B. durch eine PV-Anlage) und ohne Nutzung des öffentlichen Netzes an die Mieter geliefert. Dies steigert den Eigenverbrauch, senkt die Netzentgelte und bietet Mietern Zugang zu günstigem Solarstrom. Mieterstrom wird seit 2017 im §42a Energiewirtschaftsgesetz geregelt, unterliegt jedoch strengen Vorgaben:
Die Novelle des EnWG bringt mit den Paragraphen § 42b und § 42c neue Modelle für die gemeinschaftliche Nutzung von Solarstrom.
Die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (GGV) ist ein neues Versorgungsmodell, das mit dem „Solarpaket I“ eingeführt wurde und seit dem 16. Mai 2024 gilt. Ziel ist es, den Strom aus PV-Anlagen innerhalb eines Gebäudes effizient zu nutzen, ohne das öffentliche Stromnetz zu beanspruchen. Die GGV schafft dadurch neue Möglichkeiten für Mehrfamilienhäuser, indem sie den bürokratischen Aufwand reduziert und den Zugang zu lokal erzeugtem Solarstrom erleichtert.
Bei der GGV werden die teilnehmenden Letztverbraucher direkt von der Gebäudestromanlage beliefert. Ein Gebäudestromnutzungsvertrag regelt die Bedingungen, während der Reststrombedarf individuell über Verträge mit Stromanbietern gedeckt wird.
Voraussetzungen für die Teilnahme
Letztverbraucher können nach §42b Abs. 1 EnWG Strom aus einer Gebäudestromanlage nutzen, wenn:
Unterschiede zum Mieterstrommodell
Im Gegensatz zum Mieterstrommodell (§42a EnWG):
Verteilung des PV-Stroms
Die Verteilung des erzeugten PV-Stroms erfolgt anhand eines Aufteilungsschlüssels, der entweder statisch oder dynamisch sein kann.
Beim statischen Aufteilungsschlüssel erhalten die die teilnehmenden Kunden jeweils einen festen Prozentanteil der erzeugten Energiemenge, wobei die Summe der Anteile nicht 100% übersteigen darf. Beispielsweise erhalten bei zwei teilnehmende Kunden: Kunde 1 60% des erzeugten PV-Stroms pro Viertelstunde, und Kunde 2 40% des erzeugten PV-Stroms pro Viertelstunde. Die überschüssige Energie wird ins Netz eingespeist, wenn die Erzeugung den Verbrauch der teilnehmenden Nutzer übersteigt. Hier ein Beispiel des Bayernwerks für zwei teilnehmende Kunden (Kunde 3 nimmt nicht teil):
Beim dynamischen Verteilungsschlüssel wird den teilnehmenden Kunden für jede Viertelstunde PV-Strom im Verhältnis ihres individuellen Verbrauchs zum Gesamtverbrauch der teilnehmenden Letztverbraucher gleichmäßig zugeteilt. Hier ein Beispiel des Bayernwerks für drei teilnehmende Kunden:
Vorteile der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung
Das Energy Sharing nach §42c EnWG ermöglicht es, Strom aus regionalen erneuerbaren Energieanlagen gemeinsam zu nutzen, auch wenn das allgemeine Versorgungsnetz beansprucht wird. Es ergänzt die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (§42b EnWG) und setzt die EU-Richtlinie 2024/1711 um.
Beim Energy Sharing schließen mehrere Letztverbraucher einen Vertrag zur gemeinsamen Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien (z. B. von Wind- oder Solaranlagen). Diese Energie wird über das allgemeine Netz bereitgestellt, wobei technische und organisatorische Lösungen Transparenz schaffen sollen.
Technische Voraussetzungen
Regulatorische Erleichterungen
Grenzen der Anlagenleistung
Vorteile für Verbraucher und Betreiber
Herausforderungen
Zeitplan und Umsetzung
Merkmal | § 42a EnWG: Mieterstrom | § 42b EnWG: Gebäudeversorgung | § 42c EnWG: Energy Sharing |
Nutzung des öffentlichen Netzes | Nein | Nein | Ja |
Vergütung/Prämien | Mieterstromzuschlag | Keine | Keine |
Verpflichtungen für Betreiber | Reststrombereitstellung erforderlich | Keine EVU-Pflichten | Keine EVU-Pflichten |
Bürokratie und Aufwand | Hoch | Gering | Mittel |
Attraktivität für Investoren | Mittel (Prämien, aber hohe Hürden) | Hoch (vereinfachte Abläufe) | Mittel (keine Prämien, aber Flexibilität) |
Messung und Abrechnung | Standardisierte Übergabemessung erforderlich | Viertelstündliche Messung per iMSys notwendig | Viertelstündliche Messung per iMSys notwendig |
Zielgruppe | Mieter in einzelnen Mehrfamilienhäusern | Bewohner eines Gebäudes (z. B. Eigentümergemeinschaften) | Regionale Gemeinschaften von Verbrauchern |
Anlagengröße | Keine festen Grenzen | Keine festen Grenzen | 30 kW (Haushaltskunden), 100 kW (Gebäude) |
Zusatzanforderungen | Vertragsbindung mit Mietern auf max. 2 Jahre | Aufteilungsschlüssel erforderlich | Gemeinsame Plattform für Marktkommunikation |
Flexibilität der Nutzung | Nur lokal erzeugter Strom | Nur lokal erzeugter Strom | Regional erzeugter Strom |
Das Marktpotenzial für Mieterstromprojekte ist enorm: Bis zu 14,3 Millionen Wohnungen in 1,9 Millionen Mehrfamilienhäusern könnten von lokal erzeugtem Solarstrom profitieren. Mit den neuen Regelungen, insbesondere § 42b EnWG, werden viele der bisherigen regulatorischen Hürden abgebaut. Vereinfachte Abläufe, der Wegfall der Lieferantenpflichten und die Möglichkeit zur gemeinschaftlichen Nutzung von Gebäudestrom schaffen attraktive Bedingungen für Vermieter, Betreiber und Mieter. Diese Verbesserungen bringen neuen Schwung in den Bereich Mieterstrom und machen ihn für Solarteure zu einer lohnenden Chance, um den Ausbau erneuerbarer Energien in Mehrfamilienhäusern entscheidend voranzutreiben.
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